ZKM | Museum für Neue Kunst, 17.09.2011 – 05.02.2012
 
World Time. The World as Transit Zone

When is Now? Vom Bewegten, Simultanen und Flüchtigen

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Kwan, Will »Clocks That Do Not Tell the Time«, 2008. Installation view. Detail. © Will Kwan

Wenn es eine Idee gibt, die immer dort auftaucht, wo Globalisierung thematisiert wird, dann die, dass alles in Bewegung ist: ein steter Fluss von Menschen, Informationen, Waren und Kapital. Und zweifellos stellt sich die Frage, ob wir uns im Zeitalter der Echtzeit-Kommunikation das 'Jetzt' überhaupt noch vorstellen können. 

Nicht wie Globalisierung unsere Gegenwart verändert, sondern wie sie verändert, was uns gegenwärtig ist, fragen Michael Bielicky und Kamila B. Richter in ihrer Netzkunst-Arbeit The Garden of Error and Decay (2010/2011). Wer den Garten betritt, an dem zieht das 'Jetzt' als Montage simultaner 'Zeitpunkte' vorbei: Eine düsterere Parade tanzender und sich überlagernder Pictogramme zieht über den Bildschirm. Jedes einzelne visualisiert ein in diesem Moment irgendwo auf der Welt über Twitter kommuniziertes Desaster. Nicht 'When is now?', sondern 'Where is now?' fragt der The Global Contemporary-Gastkünstler Will Kwan in einer seiner älteren Arbeiten. In Clocks That Do Not Tell the Time (2008) zeigen eine Reihe von Wanduhren, wie sie uns an Flughäfen und in Foyers verraten, wie spät es in New York, London, Tokyo und Berlin ist, die Uhrzeit in den Peripherien der globalisierten Welt: Schadstoffdeponien, Industrieparks, Militärstützpunkte. Indem Kwan an den Symbolen einer globalisierten Gegenwart dreht, fragt er, wessen Gegenwart die vermeidlich universale Einheit der neuen 'Weltzeit' repräsentiert. Ob die Beschleunigung, das allgewärtige 'höher, schneller, weiter' , vielleicht weniger ein Aufschwung ist als ein Absturz, fragt Hito Steyerl in ihrer Videoarbeit Free Fall (2010). Wir sehen eine Boing 707, Sinnbild der Welt als Transitzone, unkontrolliert fallen – nur bleibt unklar, ob wir den Crash schon hinter uns haben oder ob er noch vor uns liegt.

Kunst fragt nach der globalisierten Gegenwart, weil das Globale nie gegenwärtiger war als heute. Was uns von der utopischen Vision der ,einen Welt‘, wie sie in den 90er Jahren dominierte, heute noch bleibt, ist vor allem das Bewusstsein über die Relativität des individuellen 'Jetzt', ein ganz unkitschiger 'sense of coexistence'. Oder wie Terry Smith schreibt: „We are all in these times together (...) We are, in a word, contemporaries.“

 



 

Kommentare 

globalart | 05. Oktober 2011 um 09:00 Uhr
#2
I agree that it is utopian in the sense that we are not - neither in the art world nor in general - "coping, however individually, with the same set of circumstances", as Terry Smith argues earlier in the text. For me the experience of simultaneity is not only defined by an increasing awareness of differing realities through the internet, but also by the possibilities the internet provides to create spaces that constitute realities without implying symmetrical relations/reciprocity. Very interesting essay by Mladen Bundalo. (FS)
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Chiara Marchini | 25. September 2011 um 19:57 Uhr
#1
The idea that "we are all in these times together" is very much a utopia, somewhat brought closer by the internet, as Gerhard Haupt and Pat Binder argued at the Global Contemporary opening festival. Bosnian artist Mladen Bundalo reflects on this in his insightful essay "A Dilattante Discourse?": http://artycok.tv/lang/en-us/category/online-exhibitions/a-dilettante-discourse/
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